PFERDELAND BRANDENBURG 2021
PFERDELAND BRANDENBURG 21 REITEN OHNE SATTEL weder das eine noch das andere. Durch das Reiten ohne Sattel und die unmittelbar spürbaren Bewegungen lernt man zu verstehen, warum es sinnvoller ist, seinem Pferd durch Gewichtsverlagerung, Mitschwingen und Stimme einen Tempowechsel zu signalisieren. Ute Oley ist Fachübungsleiterin für die Basisreitausbil- dung sowie ausgebildet als Centered Riding Instructor. „Aber das meiste haben uns unsere Reitschüler und Pferde gelehrt!“ Zentrales Element ihrer Reitausbildung ist seit 1994 das Reiten auf dem blanken Pferderücken. Jeder Neuling fängt hier so an und auch Fortgeschrit- tene, die Lektionen auf dem gesattelten Pferd erhalten, schulen so immerwieder ihr Körpergefühl und dadurch ihre Kommunikation mit dem Pferd. „Pferdesprache ist fast ausschließlich Körpersprache“, betont Reiner Oley. Deshalb putzt auf dem Cahokia-Hof jeder Reiter sein Pferd selbst: „Dabei spürt man, wie das Tier drauf ist. Und umgekehrt.“ Lernen ohne Druck und Angst Während der ersten Reitstunde schauen sich die Oleys den Menschen, der bei ihnen reiten lernen möchte, ganzheitlich an – und zwar unabhängig davon, ob es ein Kind oder Erwachsener ist, Anfänger, Umsattler oder Wiedereinsteiger. Eventuelle Reiterfahrungwird dabei ebenso gesehenwie das, was dieser Mensch insgesamt mitbringt. Fähigkeiten ebensowie Einschränkungen. „Wir haben Kinder hier, die zu Hause viel auf demTablet spielen“, sagt Reiner Oley. „Die lernen hier erst mal, sich wieder selbst zu spüren.“ Auch meine siebenjährige Tochter erlebt an diesem Tag eine Premiere: ihre allererste Reitstunde, während der sie und fünf andere Kinder „Reise nach Jerusalem“ spielen. Zu Pferd!Welch ein Unterschied zu meiner ersten Reitlektion, damals als Elfjährige. Während man an der Longe im Kreis ritt, prasselten Anweisungen im Befehlston auf einen ein: Fersen tief, Rücken gerade, Hände zusammen, Knie zu, Fußspitzen zum Pferdemaul, Unterschenkel zurück … Als ich damals nach einer halben Stunde vom Pferd stieg, ging ich erst mal in die Knie. „Druck und Angst sind doch kein Klima zum Lernen“, sagt Ute Oley über diesen auch heute nochweitver- breiteten Drill. Der Umgangston auf dem Cahokia-Hof ist ganz bewusst ein anderer, der Unterricht für die Jüngeren eher spielerisch. Das tut allen Reitschülern gut und ganz besonders jenen, die körperliche oder geistige Behinderungen mitbringen, eine ADHS-Diagnose haben oder schlechte zwischenmenschliche Erfahrungen. Beglückt beobachte ich meine Tochter, die im Schritt tempo im Kreis geführtwird und sich auf dem breiten Rücken ihrer Haflingerstute sichtlichwohlfühlt. Konzentriert lauscht sie auf die Musik, die Ute Oley immerwieder stoppt. Auf dieses Signal hin hopst sie leichtfüßig vom Pferderücken und flitzt zur Stuhlgruppe in der Zirkelmitte. So selbstbewusst und vergnügt, als hätte sie nie etwas anderes getan. „Es ist ein Trugschluss, dass das Reiten mit Sattel grundsätzlich sicherer ist oder mehr Halt auf dem Pferderücken bietet“, sagt Reiner Oley und schmunzelt: „Wir führen natürlich keine Statistik, aber es fällt bei uns wirklich selten jemandvom Pferd.“ Und das, obwohl der Unterricht grundsätzlich auf dem Platz stattfindet, neben dem die Koppel samt Offenstall liegt sowieWiesen und einWaldstück, aus dem auch mal ein Reh springt. Auch kürzere Ausritte finden teilweise ohne Sattel statt. Dabei gilt jedoch grundsätzlich, dass die Reitschüler innerhalb ihrer Möglichkeiten bleiben: „Man darf bei uns immer sagen‚ das trau ich mich nicht, das kann ich nicht“, betont Ute Oley. „Wir gucken dann in Ruhe, wovor derjenige eigentlich Angst hat und gehen kleine Schritte.“ Grundvoraussetzung für das Reiten ohne Sattel, so die Erfahrung der Oleys, ist das Vertrauen zum Pferd. „Das Tier ist das gleiche, egal ob da ein Sattel drauf liegt oder nicht“, erklärt Reiner Oley. „Aberwenn der Reiter nervös ist, ängstlich, sichverkrampft, dann spürt das Pferd das – undwird unsere Signale spiegeln.“Wer es einmal ausprobieren möchte, kann sich mit einer (geführten) Runde auf dem Platz herantasten. Oder sich auf dem Cahokia-Hof in erfahrene Hände begeben. WEITERE INFORMATIONEN: cahokia-reitverein.de Ein spielerischer Unterricht zeichnet den Cahokia Reitverein aus. Kinder und Erwachsene lernen, auf das Pferd zu achten – mit allen Sinnen. Drill gehört hier nicht auf den Stundenplan. Kom- muniziert wird über die Pferdesprache – also fast nur durch Körpersprache Centered Riding Die amerikanische Reitlehrerin Sally Swift begründete das Centered Riding. Ihr Ansatz, aus der Körper- mitte zu reiten, war ein neuer Weg, die klassi- schen Prinzipien des Reitens mit- hilfe von Körper- wahrnehmung zu zentrieren. i Alle Kontaktadressen finden Sie auf der Seite 66
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