PFERDELAND BRANDENBURG 2021
PFERDELAND BRANDENBURG 23 ARBEITSPFERDE uerst sind über demHügel nur zwei braune Ohren und ein blonder Schopf zu sehen, dann die silbernen Hörner eines Kummets, gefolgt vonvon einem hin- und her schwankenden, ausladenden Hinterteil. Ganz zum Schluss taucht Carmen Becker auf. Sie folgt der vor ihr stapfenden Kaltblutstute Henrike durch Fenchel-Büsche, die sich in ebenmäßigen Reihen den Hügel herabziehen. Konzentriert schaut Becker auf den Bodenvor sich, beide Hände fest an den Griffen einer grünen Meyerhacke, die, ähnlich einem Pflug, vom Pferd gezogenwird und die Erde zwischen den Fenchelreihen locker umbricht. Um Hals und Schultern hat Becker ein Seil gelegt. Das läuft über die Kruppe des Pferdes vor zum Kummet (dicker gepolsterter Ring des Zuggeschirrs), dort hindurch bis zu den Gebissringen am Pferdemaul undwieder zurück zum Kummet. „Ab“ und „Brrr“ ruft Becker dem Pferd gelegentlich zu, um es anzufeuern oder um zumNeu ausrichten der Hacke kurz anzuhalten. Gelenktwerden, so scheint es, muss Henrike kaum, so zielgenau läuft sie in den Furchen, ohne auf die Pflanzen zu treten. Wenn das Gespann am Ende des Feldes angekommen ist, bewegt Becker die Stute per Stimme und Zupfen am Seil zum Umdrehen, setzt die Hacke mit kurzem Ruck um, und Henrike fädelt sich gekonntwie- der in die nächste Furche ein. „Sie kennt ja ihre Aufgabe“, kommentiert Becker die Treffsicherheit der Stute. Das Bild – Frau und Pferd, vertieft in die Arbeit unter dem strahlend blauen Brandenburger Himmel, begleitet von Vogelgezwitscher, gelegentlichem Schnauben und kurzen, sparsamen Stimmkommandos – könnte so auch aus demvorletzten Jahrhundert stammen. Aber Henrike und Carmen Becker sind ganz lebendige Bewohner der Jetzt-Zeit. Konkret desWaldpferde-Hofs in Dahmsdorf, einemOrtsteil von Müncheberg, knapp eine Stunde östlichvon Berlin. Den Hof haben Carmen Becker und ihr Partner im Jahr 2009 gegründet. Als Demeter-Betrieb bewirtschaften sie hier rund 50 Hektar Ackerfläche biologisch-dynamisch, produzieren Gemüse und Getreide, vermehren Gemü- sesaatgut, beliefernvor allem Abnehmer in und um Ber- lin mit ihren Produkten und betreiben einen Hofladen. Das Besondere amWaldpferde-Hof sind aber die fünf namensgebendenvierbeinigen Mitarbeiter: Enjo, Stella, Liane, Punta und eben Henrike, allesamt Rheinisch-Deutsche Kaltblüter. Siewerden hier als Arbeitspferde genutzt, „wofür die Rasse ursprünglich ja auch gezüchtetwurde“, sagt Becker. Bekannt ist der Einsatz von Kaltblütern und schweren Warmblütern aus der Forstwirtschaft. Als Rückepferde kommen sie auch in Brandenburg zum Einsatz. „Pferde verursachen imGegensatz zu maschinellen Verfahren nur minimale und temporäre Bodenverdichtung“, erklärt Stephan Dietrichvom Brandenburger Landesverband der Interessengemeinschaft Zugpferde e.V. (IGZ). Die- trich und die 55 Mitgliedsbetriebe in Brandenburg setzen sich dafür ein, die Arbeit mit Arbeitspferden auch hier Carmen Becker vom Waldpferde-Hof setzt Henrike und andere Kaltblüter für ihren Ge- müseanbau im Seenland Oder-Spree ein. Die Arbeit mit Zugpferden lernte sie bei ihren Auf- enthalten in Norwegen und den USA Routiniert zieht das Pferd die Hacke über das Feld Z Fotos: Edda Schlager Illustration: Adobe Stock/yik2007 Text: Edda Schlager u
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